Dachsteinblick am Panoramarundweg, © Fred Lindmoser

Panoramarundweg

Einblicke in die evangelische Geschichte des ÖTSCHER:REICH

Die Gemeindealpe gilt als einer der schönsten Aussichtsberge Niederösterreichs. Um den eindrucksvollen Rundumblick auf das Mariazellerland, den Ötscher und die Kalkalpen erleben zu können folgen Sie unserem „Birki“ auf dem etwa 800m langen, bequem begehbaren Weg rund um den Gipfel der Gemeindealpe. Genießen Sie nicht nur den Blick auf die Landschaft, sondern erfahren Sie auch, wie die Region um den Ötscher von evangelischen Holzknechten besiedelt wurde.

Station 1: Dachsteinblick

Die erste Station des Panoramarundwegs findet sich auf der Südseite des Weges um den Gipfel der Gemeindealpe.

Der Blick geht von hier in die steirischen Gebirge, bis hinein ins Gesäuse. An besonders klaren Tagen sieht man sogar den Gipfel des Dachstein. Aus der Gegend des Dachstein stammten die Holzknechte, die im 18. Jahrhundert den Talkessel des Ötscher besiedelten.

Folgt man dem Blick nach Westen, entlang des Grats Richtung Brachalm, erhebt sich der markante Dürrenstein, der „kleine Bruder“ des Ötscher. Im Tal vor dem Dürrenstein befindet sich das 3.500 ha große Wildnisgebiet, mit dem größten Urwald Mitteleuropas, dem Rothwald.

Markant liegt an dieser Stelle ein gewaltiger roter Marmorblock, genannt „Brunnsteinmarmor“. Südlich unterhalb der Brachalm, einer bewirtschafteten Almhütte, findet man einen alten Steinbruch, aus dem dieser Felsblock stammt. Das Gestein ist in Wahrheit „Hierlatzkalk“, eine Art Vorform von Marmor. Teile der Mariazeller Basilika wie etwa der Sockel des Hochaltars wurden aus diesem rötlichen Stein erbaut. Im 17. Jahrhundert hat man angeblich drei Winter gebraucht, um den aus einem Stück gehauenen Stein für den Hochaltar-Sockel vom Steinbruch bis in die Basilika zu transportieren. Er konnte nur auf Schnee und über den zugefrorenen Erlaufsee gezogen werden.

Station 2: Ötscher und Ötschergräben

Der Talkessel zwischen Ötscher und Gemeindealpe war bis 1747 unberührter Urwald. Der Wald reichte bis weit hinauf auf den Ötscher, keine Forstwege zerschnitten das Landschaftsbild. In Wien brauchte man Brennholz und verpflichtete das Stift Lilienfeld zur Schlägerung und Bringung. Dieses engagierte erfahrene Holzfäller aus dem Dachsteingebiet. Etwa 60 Holzknechte kamen 1747 in dieses Tal und brachten nach und nach ihre Familien nach, sowie ihre Lutherbibel – sie waren Geheimprotestanten und hofften, in der Abgeschiedenheit des Ötschers ihren Glauben unbeobachtet ausüben zu können.

Das „Jägerherz“ ist der Ort, an dem der Jäger Herz seine Jagdhütte hatte. Er war der einzige katholische Jäger in dem Talkessel, aber ganz sicher ist man nicht, ob er nicht auch zu den Geheimprotestanten gehörte. Im Roman „St. Johann in der Wüste“ wird seine Geschichte erzählt. Er war es auch, der den letzten Bär im Ötscher Ende des 17. Jahrhunderts geschossen hat. Dieser Bär steht noch heute ausgestopft im Stift Lilienfeld.

Im sogenannten „Hinterötscher“ stand von Anfang an ein Wirtshaus. In den alten Hüttenbüchern des „Gasthaus Spielbichler“ findet man Eintragungen bis ins Jahr 1830 zurück. Damals schon fanden die ersten Touristen als Sommerfrischler den Weg in dieses unwegsame Gebiet. Georg Spielbichler kam mit einer der ersten „Bass“ in den Ötscher als er etwa 15 Jahre alt war. Die Familie Spielbichler war die letzte, die noch im Talkessel ihren Hauptwohnsitz hatte und betrieb das Wirtshaus bis 1954. Erst 1961 sind sie nach Mitterbach gezogen.

Das heutige „Schutzhaus Vorderötscher“ war  ursprünglich ein Jagdhaus und Wohnsitz von Blasius Schenner, dem Jäger des Stifts Lilienfeld. Erst später wurde es ein Wirts- und Schutzhaus. Der gesamte Talkessel war und ist im Besitz des Stiftes Lilienfeld, nach dem Stift Admont der zweitgrößte Forstbesitzer Österreichs. Durch die Ötschergräben wurde das Holz verbracht – über „Riesen“ in den Ötscherbach, von dort mit Holztriften auf dem Wasserweg über die Tormäuer und die Erlauf bis in die Donau und nach Wien geschwemmt.

Station 3: St. Johann in der Wüste

Mitte des 18. Jahrhunderts lebten rund 60 Familien im Talkessel zwischen Ötscher und Gemeindealpe. Sie wurden verpflichtet jeden Sonntag den Gottesdienst in der Pfarre Annaberg zu besuchen. Der sogenannte „Kirchensteig“ führte durch die Ötschergräben nach Annaberg – diesen Weg sollten die Holzfäller damals zum Kirchgang zurücklegen. Aufgrund des vor allem im Winter äußerst mühsamen Weges bis Annaberg wurde erst am Josefsberg eine Pfarrexpositur errichtet, und dann 1759 im „Hinterhagen“ ein hölzernes Kirchlein. Die wöchentliche Lohnauszahlung erfolgte immer nach dem sonntäglichen Gottesdienst - man wollte die Holzknechte „im Auge behalten“ und seelsorgerisch näher an die katholische Kirche binden.

Die Hagenpfarre mit ihrer Kirche „St. Johann in der Wüste“ bestand nur knapp drei Jahrzehnte und verbrauchte sieben Priester – niemanden hat es dort lang gehalten. Und als 1781 das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. erlassen wird, das den evangelischen Christen Glaubensfreiheit gewährt, sind die Tage von „St. Johann“ gezählt. 1782 bekennen sich 183 Personen öffentlich zum Evangelischen Glauben (A.B.) und der Hagenpfarrer steht allein in seiner Kirche.

Station 4: Kleiner Ötscher – „Im Loch“

Im hintersten Talschluss, wo niemand mehr hinkommt, fanden die geheimen evangelischen Gottesdienste statt. Georg Weber hatte hier seine Hütte. Er konnte lesen und schreiben, war der Prädikant der Holzfäller und Vorbeter der Protestanten im Talkessel des Ötscher. Er stammte aus Schladming und war um 1750 in das Wildnisgebiet des Ötschers gekommen. Seine Frau Elisabeth war 1789 die erste Evangelische, die auf dem Mariazeller Friedhof begraben wurde.

Station 5: Mariazellerland

Von der Niederalm geht der Blick ins „Katholische“: Während im 18. Jahrhundert hinter der Gemeindealpe die evangelischen Holzknechte ihre Arbeit verrichteten, erlebte die Wallfahrt der Katholiken auf der anderen Seite des Berges eine Hochblüte. Wollte man auf der alten „Via Sacra“ von Wien nach Mariazell pilgern, musste man über die „Heiligen Berge“: Auch heute noch führt der Weg von den Großeltern Jesu (die Hl. Anna in Annaberg, der Hl. Joachim am Joachimsberg), zu den Eltern, dem Hl. Josef am Josefsberg und schließlich nach Mariazell, wo die Mutter Jesu mit dem Finger auf das eigentliche Ziel der katholischen Pilger und Wallfahrer zeigt: das Jesuskind.

Von hier hört und sieht man auch die Mariazellerbahn mit ihren Viadukten und Tunneln, sowie den nördlichsten Punkt der Steiermark. Darum werden die Mitterbacher und Mariazeller auch „Drei-Meter-Steirer“ genannt …

Station 6: Terzerhaus

Beim Terzerhaus endet der Rundweg mit einem Panoramablick auf Mariazell und das Mariazellerland. Hier verläuft die Landesgrenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark, die sich entlang der Erlauf und durch den Erlaufsee zieht.

Mariazell mit seiner markanten Basilika ist heute noch einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Katholiken in Mitteleuropa, unmittelbar neben einem der geschichtsträchtigsten Gebiete der Evangelischen.